Mein Mann und ich befinden uns in einer äußerst belastenden Situation. Obwohl wir uns lieben und eigentlich eine gute Ehe führen möchten, begegnet er mir immer wieder mit psychischer Gewalt in verschiedenen Formen – wenn alles okay ist, ist er ein traumhafter Ehepartner, wenn es kippt, ein Albtraum. Trotz mehrerer Beratungen und seelsorgerischer Unterstützung hat sich daran bisher nichts nachhaltig geändert. Ich sehe bei ihm starke Anzeichen einer Persönlichkeitsstörung und eine ausgeprägte Angst vor Verlassenwerden. Aktuell lebt er bereits nicht mehr zu Hause – wohl auch, weil er merkt, dass er die Situation nicht unter Kontrolle hat und mich nicht weiter verletzen will. Dennoch gibt er mir nach wie vor einen erheblichen Teil der Schuld an seinem Verhalten.
Ich selbst habe bereits viele Beratungsangebote in Anspruch genommen, war auch bei der Polizei, habe ihn aber bisher nicht angezeigt. Ich muss mich immer wieder schützen, doch der einzige wirklich wirksame Schutz besteht darin, mich komplett von ihm zurückzuziehen – was für ihn emotional eine Katastrophe ist und uns als Paar nicht weiterbringt. Versuche ich stattdessen, in kritischen Momenten im Kontakt zu bleiben, gerate ich in ein endloses Drama: Er kann Probleme nicht für einen späteren Zeitpunkt beiseitelegen, sondern fordert sofortige Klärung – andernfalls droht er mit Trennung oder Kontaktabbruch.
Alle offiziellen Beratungsstellen raten mir letztlich zum Beenden der Beziehung, aber genau das möchte ich nicht. Ich suche dringend nach professioneller Unterstützung, die uns hilft, einen gangbaren Weg zu finden. Wir haben einen guten Paartherapeuten, mit dem wir beide arbeiten können, doch er ist erst in ein paar Monaten verfügbar – und ich habe Angst, dass unsere Ehe bis dahin zerbricht. Mein Mann selbst sieht kaum die Notwendigkeit für eine eigene Therapie, da er überzeugt ist, dass sein Verhalten nur in unserer Beziehung problematisch sei.
Besonders herausfordernd ist für mich der manipulative Aspekt seiner Verhaltensweise. Er ist äußerst geschickt darin, Situationen so darzustellen, dass Außenstehende – und möglicherweise auch ein Therapeut – getäuscht werden könnten. Ich frage mich daher, ob eine Paartherapie in unserem Fall überhaupt hilfreich wäre oder ob es für ihn nicht eher ein Mittel sein könnte, um Verantwortung von sich zu weisen. Gleichzeitig weiß ich, dass, wenn er allein in Therapie ginge, die Gefahr bestünde, dass dort die falschen Themen in den Fokus geraten.
Ich bin überzeugt, dass sein Verhalten tief in seiner eigenen Vergangenheit verwurzelt ist – er hat als Kind dramatischen Missbrauch erlebt, behauptet jedoch, diesen bereits in jungen Jahren verarbeitet zu haben. In seiner ersten Ehe, sagt er, habe er keinerlei dieser Probleme gehabt, was ihn noch mehr in der Annahme bestärkt, dass das eigentliche Problem bei mir liegen müsse.
Ich bin ratlos, wie und wo wir kurzfristig die richtige Unterstützung finden können – insbesondere eine professionelle Begleitung, die sich mit psychischem Missbrauch auskennt und nicht in ein einfaches „jeder trägt 50 % Verantwortung“ verfällt. Gibt es eine Anlaufstelle, die uns in dieser akuten Phase helfen kann, bevor unser geplanter Therapieprozess in einigen Monaten beginnt?
Den Partner, mit dem wir die Chance haben, unsere eigenen Traumata zu heilen
Vielen Dank für deine ausführliche Nachricht. Es ist berührend, dass trotz der Herausforderungen die Liebe zwischen euch beiden besteht und du deinen Partner manchmal als traumhaften Ehepartner erlebst. Häufig suchen wir unbewusst genau den Partner, mit dem wir die Chance haben, unsere eigenen Traumata zu heilen.
Kindheitstrauma führt oft dazu, dass wir Überlebensstrategien entwickeln, die uns damals geholfen haben, schwierige Situationen zu bewältigen. In deiner Schilderung wird deutlich, welche Elemente der Überlebensstrategie dein Partner möglicherweise entwickelt hat, um mit seinen frühen Verletzungen umzugehen. Manchmal ist Gewalt sogar das verzweifelte Suchen nach Verbindung.
Wie sieht es bei dir aus? Hast du selbst belastende Erfahrungen oder Traumata erlebt, wie etwa den Verlust deines vorherigen Ehemannes? Wenn ja, wie hast du es geschafft, diese Erlebnisse zu überstehen?
In Beziehungen spielen wir oft wiederkehrende Muster, die uns auf einer tieferen Ebene verbinden, aber auch verletzen können. Wie würdest du euer destruktives Muster beschreiben? Was löst es aus? Wie triggert ihr euch gegenseitig, und wie schützt ihr euch danach? Und was hält dieses Muster immer wieder am Laufen?
Wenn ihr mehr über dieses Muster versteht, kann das ein erster Schritt sein, um zu erkennen, was ihr benötigt, um es zu durchbrechen. Einen hilfreichen Überblick darüber, was ihr für eine Emotionsfokussierte Paartherapie (EFT) braucht, findet ihr hier.
Kurzfristig könnte es hilfreich sein, wenn ihr Einzeltherapeut*innen sucht, die mit einem bindungsbasierten Ansatz arbeiten. Methoden wie EFT für Einzelpersonen (EFIT), NARM oder Schematherapie könnten dabei unterstützen, die tieferliegenden Bindungsthemen und Überlebensstrategien aufzuarbeiten.
Wir hoffen, dass euch diese Ansätze weiterhelfen können, bis eure EFT-Paartherapie anfangt und wünschen euch alles Gute für euren gemeinsamen Weg!
Liebe Grüße
Lovie
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