Meine Frau und ich sind seit fast 12 Jahren ein Paar, wir sind Mitte dreißig und haben zwei Kinder im Alter von 8 und 3 Jahren. Wir sind insgesamt eine glückliche Familie und uns geht es gut, nur leider klappt es mit dem Sex nicht mehr so. Vor den Kindern hatten wir aus meiner Sicht ein erfülltes und regelmäßiges Sexleben.
Nach der Schwangerschaft verschwand ihre Lust – warum?
Mit der ersten Schwangerschaft hat es dann angefangen, dass meine Frau ab dem Moment, in dem sie wusste, dass sie schwanger war, keinen Sex mehr haben wollte. Das war für mich eine harte Zeit, da wir durch Schwangerschaft und die Zeit nach der Geburt dann fast zwei Jahre gar keinen Geschlechtsverkehr hatten. Danach wurde es wieder etwas häufiger, aber natürlich lange nicht mehr so wie vor der Geburt. Dies hat sich bei dem zweiten Kind wiederholt: Meine Frau hatte ein starkes Bedürfnis nach Sex, wenn sie schwanger werden wollte und dann eben nicht mehr.
Einmal im Monat ist mir zu wenig
Inzwischen haben wir unsere Familienplanung soweit abgeschlossen, wir wollen keine weiteren Kinder. Es hat sich so eingependelt, dass wir ungefähr einmal im Monat miteinander schlafen. Das ist mir zu wenig, ich habe ein starkes Bedürfnis öfter mit meiner Frau Sex zu haben und hatte mir erhofft, dass sich das wieder ändert, wenn die Kinder etwas größer werden.
Hat sie einfach das Interesse an mir verloren?
Ich habe meine Frau auf mein starkes Verlangen nach Nähe und Sex angesprochen und sie auch gefragt, ob es bei ihr eventuell einen anderen Mann gibt, da ich mir ihre Lustlosigkeit nicht anders erklären kann. Aus ihrer Sicht ist jedoch alles in Ordnung, sie ist der Ansicht, dass wir eine schöne Partnerschaft führen. Ich nehme ihr eigentlich ab, dass es niemand anderen gibt, aber es ist für mich sehr schwer zu akzeptieren, dass sie scheinbar einfach das Interesse an mir verloren hat. Seit unserem letzten Gespräch vor 2 Monaten haben wir nun gar keinen Geschlechtsverkehr mehr, weil sie sich durch mich zu stark unter Druck gesetzt fühlt.
Nun spiele ich mit dem Gedanken, mir eine Sexualtherapeutin zu suchen. Wie sehen Sie die Situation? Würden Sie mir raten, in Therapie zu gehen – macht dies alleine überhaupt Sinn? – oder sollten wir uns als Paar gemeinsam jemanden suchen?
Menschen sind ein Mix von Gefühlen
Vielen Dank, dass du uns dein Anliegen so offen und ehrlich geschildert hast. Es zeigt, wie wichtig dir deine Beziehung und deine Partnerin sind, und das ist bewundernswert. Es ist ein mutiger Schritt, deine Gefühle und Sorgen anzusprechen und nach Unterstützung zu suchen.
Unsere Gefühle sind oft komplex und vielschichtig, besonders in langjährigen Partnerschaften und in der Elternschaft. Du beschreibst sehr treffend, wie sich die Dynamik in deiner Beziehung über die Jahre verändert hat, insbesondere seit der Geburt eurer Kinder.
Vor der Geburt eurer Kinder war eure Beziehung vermutlich von Gefühlen wie Lust, Fürsorge, Spiel und Entdeckung geprägt. Mit der Ankunft der Kinder haben sich diese Schwerpunkte verschoben. Besonders bei Müttern rückt das Gefühl von Fürsorge oft stärker in den Vordergrund. Auch die intensive Bindung zu den Kindern, verbunden mit Erschöpfung und weniger Zeit für die Partnerschaft, kann die Lust und Intimität beeinflussen.
Negative Muster in der Partnerschaft
Es klingt so, als hättet ihr beide ungewollt ein Muster entwickelt, das zu Spannungen führt. Aus deiner Perspektive erlebst du vielleicht:
- Ablehnung und Einsamkeit: das Gefühl, außen vor zu sein, weil deine Partnerin scheinbar das Interesse an dir verloren hat.
- Verlust von Vertrauen: die Sorge, dass eure Nähe und Intimität dauerhaft beeinträchtigt bleiben.
Aus der Sicht deiner Partnerin könnte es sein:
- Druck und Unsicherheit: möglicherweise fühlt sie sich durch eure Gespräche über das Thema Sex unter Druck gesetzt.
- Scham und Schuldgefühle: sie könnte sich fragen, warum ihre Lust so nachgelassen hat, und sich damit selbst in Frage stellen.
Diese Dynamik kann leicht zu einem negativen Kreislauf führen, in dem sich beide Partner immer weiter voneinander entfernen.
Könnte es sein …?
Eine wichtige Frage in dieser Situation ist:
- Für deine Partnerin: Könnte es sein, dass für sie aktuell das Bedürfnis nach emotionaler Erreichbarkeit und Sicherheit im Vordergrund steht?
- Für dich: Ist für dich gerade die körperliche Erreichbarkeit besonders wichtig, um dich deiner Partnerin nah zu fühlen und zu spüren, dass du ihr wichtig bist?
Wenn dies zutrifft, könntet ihr beide auf unterschiedliche Weise nach Bindung suchen, ohne dass es direkt zusammenkommt.
Ein erster Schritt: Verletzliche Gefühle teilen
Ein gemeinsames Gespräch über eure tiefsten Gefühle kann helfen, diese Dynamik zu durchbrechen. Dabei könnte es hilfreich sein, wenn:
- Du deiner Partnerin sagen kannst, welche Angst oder Unsicherheit in dir ausgelöst wird, wenn du denkst, dass sie kein Interesse mehr an dir hat. Was wäre für dich das Schlimmste, das passieren könnte, oder die größte Sorge?
- Deine Partnerin dir erzählen kann, was aktuell ihr wichtigstes Kernbedürfnis ist. Vielleicht gibt es Momente, in denen sie sich emotional überfordert fühlt oder andere Bedürfnisse in den Vordergrund treten.
Das Wichtigste in einer Partnerschaft ist, dass ihr euch gegenseitig in euren verletzlichen Momenten seht und spürt, dass ihr mit euren Kerngefühlen nicht alleine bleibt. Wenn es euch gelingt, über diese verletzlichen Gefühle zu sprechen, kann das eine neue Ebene der Verbundenheit schaffen.
Therapie als Unterstützung
Eine Paartherapie kann ein sicherer Rahmen sein, um solche Gespräche zu führen. Insbesondere die bindungsbasierte emotionsfokussierte Therapie (EFT) nach Dr. Sue Johnson ist darauf ausgerichtet, Paare darin zu unterstützen, ihre Bindungsmuster zu verstehen und eine tiefere Verbindung herzustellen. Auch wenn deine Partnerin zunächst zögert, könntest du in einer EFT-Einzelberatung (EFIT) erste Schritte gehen und dies später als Paar gemeinsam angehen.
Wir würden uns freuen, dich dabei zu unterstützen, entweder durch Empfehlungen für Therapeut*innen oder durch weitere Informationen.
Liebe Grüße
Lovie
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